Der Winter. Ein lange nicht gesehener und schon fast vergessener Gast hier in Pommern auf der Insel Rügen. Aber dieses Jahr kündigte er seinen Besuch schon weit im voraus an. Ende Januar / Anfang Februar sanken die Temperaturen unter null Grad und es erreichten die ersten leichten Schneefälle die Insel Rügen, die sich wie Puderzucker über eine frisch gebackene Waffel legten. Gerade ausreichend um den Geschmack zu verändern, aber immer noch zu wenig, als dass die Strukturen nicht mehr erkennbar wären.
Mitte Februar war es dann endlich soweit. Der Ostwind hatte die Mole und das Leuchtfeuer zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder in einen Eispanzer gehüllt und der Hafen war auf einmal gefüllt mit Stativen und Teleobjektiven (an einem Montagnachmittag!). Da erschrickt man als Einheimischer, soviel war doch sonst nie los. Des Rätsels Lösung: ein bei Instagram bekannter Fotograf hatte in seiner Story zum Besuch des Sassnitzer Hafens geraten, denn die Bedingungen seien gut. Und so kommt es dann, dass Menschen teilweise durch die halbe Republik reisen für ein Foto. Mal ganz davon abgesehen, dass wir gerade eine Pandemie durchmachen, hat das ganze nichts mit Regionalität und Nachhaltigkeit zu tun. Da geht es nur noch um das Abarbeiten von Bucketlisten und dem nächsten „Iconic Shot“ für Instagram. Rügen litt im Jahr 2020 ganz besonders unter den vielen Urlaubermassen, der Zustand des Nationalparks Jasmund im Herbst war erschreckend, wenn jetzt noch die „Instagram Szene“ hinzukommt, lässt 2021 Schlimmes erahnen. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Diskussionen wieviel Gäste, Hotels und Ferienhäuser eine Region verträgt, endlich so laut wird, dass auch die Politik begreift, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann.
Sei es drum, am Abend brach dann auch das Schneegestöber los und hüllte bereits am Morgen danach die Welt in eine eisige, weiße Stille. Unbetreten waren die Wege im Nationalpark. Es herrschte eine Stimmung vor, wie man sie hier an der Küste nur noch selten erlebt. Keine Spur führte durch den Schnee, keinerlei Abdrücke von Wild und Mensch. Dunkle graue Wolken hingen über der Ostsee und schaufelten ohne Pause immer mehr Schnee auf die Insel.
Am Tag darauf ließ sich dann ganz unerwartet die Sonne sehen und so wechselten sich Schneeschauer, Sonne und Wolken der Reihe nach ab. Ich stapfte durch hüfthohen Schnee, schaute auf einen alten Kreidebruch, dessen früherer Besitzer sich in diesem auf einer Kiste TNT selbst in die Luft gesprengt hat. Durch den tiefen Schnee ging es dann vom kleinen Königsstuhl zum Opferstein von Quoltitz. Den zeichnete immerhin schon Caspar David Friedrich, aber vermutlich nicht im Winter. Am Abend war es dann auch wieder ruhiger am Hafen, die Luft war noch eisig, aber nur wenige Menschen interessierten sich noch für die Eispanzer auf den Steinen und der Mole. Es lag wieder diese kalte, klare Melancholie in der Luft, die sich im Februar mit den ersten Frühlingsgefühlen paart. So ist es schön, so darf es bleiben. Ohne „nach uns die Sintflut Instagramer“.
Die weiteren Tage blieben sonnig, die Boddengewässer erstrahlten in reinem Weiß und die Sonnenuntergänge machten einfach nur glücklich. Aber schaut einfach mal in der Galerie, was diese Wintertage so mit sich brachten. Ein lieber Gruß und Dank für die freundliche Gesellschaft in diesen schneereichen Tagen, soll an dieser Stelle auch an 2 Fotografen gehen: Florian Nessler & Sandra Bartocha. Beide sind in Meck- Pomm verwurzelt, tragen ihre Heimat im Herzen und pfeifen auf den sogenannten „nächsten Iconic Shot“. Schaut mal auf ihre Homepages. Es lohnt sich.
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